Spaziergang durch Ursynów
Den Stadtbezirk Ursynów, so wie man ihn heute sieht, d.h. die größte Konzentration von Großplattenbauten, wurde im Süden Warschaus ab den 1970er Jahren schrittweise errichtet. Die ältesten Wohnsiedlungen befinden sich im Norden des Bezirks, die jüngsten im Süden. Die meisten von ihnen haben die Namen früherer Dörfer und Siedlungen in diesem Gebiet übernommen, darunter Służew, Imielin und Kabaty.
Die Geschichte dieses Ortes ist jedoch viel älter und reicht bis in die zweite Hälfte des 11. Jh. zurück, als sich Benediktinermönche in der Nähe des heutigen Baches Służewiec, früher Sadurka genannt, niederließen. In Ursynów befindet sich auch die Katharinenkirche aus dem 13. Jh. – eine der ältesten Kirchen Warschaus. In späteren Jahrhunderten gehörte das Gebiet von Ursynów berühmten Adelshäusern, der Familie Lubomirski, Potocki oder Branicki, die hier ihre Sommerresidenzen anlegten. Der Name des Bezirks selbst stammt jedoch von Julian Ursyn Niemcewicz, einem Schriftsteller, Historiker und Mitglied der Kommission für Volksbildung. Im Jahr 1822 kaufte er den Krasiński-Palast, der sich auf dem Gelände der heutigen Warschauer Naturwissenschaftlichen Universität befand, und so wurde das gesamte Viertel nach seinem Spitznamen „Ursynów“ benannt.
Sie erreichen Ursynów vom Warschauer Stadtzentrum aus mit der Metro-Linie 1. Die Fahrt dauert je nach gewählter Station etwa 15-20 Minuten. Genießen Sie Ihren Ausflug zwischen Wohnblocks und malerischer Natur.
Plattensiedlungen
Sagt man Ursynów, denkt man an große Platten. Hierbei handelte es sich um eine Technologie zur Errichtung von Wohnblöcken, bei der diese vor Ort aus vorgefertigten, riesigen, vorgefertigten Elementen zusammengesetzt wurden. Dadurch wurde die Bauzeit von Wohnsiedlungen erheblich verkürzt. Steigen Sie an der Metro-Station Ursynów aus und gehen Sie zwischen den Blöcken hindurch. Die Gebäude wurden in den 1990er Jahren isoliert, so dass man nicht mehr erkennen kann, wie die ursprünglichen grauen Platten aussahen. Sie werden jedoch feststellen, dass diese Wohnblöcke mit Blick auf den Komfort der Bewohner entworfen wurden. Im Gegensatz zu vielen „modernen“ Siedlungen, die heute gebaut werden, liegen die großen Plattenbauten in Ursynów weit auseinander, dazwischen gibt es Grünflächen, Rasenflächen und Spielplätze. Die Siedlungen sind außerdem durch Straßen getrennt, so dass „Inseln“ entstehen, auf denen kein Autoverkehr herrscht.
An einer der Hauptstraßen des Viertels – der Aleja Komisji Narodowej – erhebt sich eine der interessantesten postmodernen Kirchen Warschaus. Die Himmelfahrtskirche, so wie sie von ihrem Planer konzipiert wurde, steht mit dem Rücken zur Straße, so dass ihre Fassade auf den zentralen Platz der Wohnsiedlung blickt, der ein Treffpunkt für die Anwohner ist. Wegen seiner gewaltigen Ausmaße wird er gerne auch Malbork genannt und birgt zahlreiche architektonische Highlights. Im Inneren kann man Stützen sehen, die den Boden nicht berühren, oder das Gemälde der Muttergottes von Tschenstochau, das der Regisseur Krzysztof Kieślowski gestiftet hat, der hier Szenen für seinen Film „Dekalog“ drehte.
Die ersten Bewohner von Ursynów (in den 1970er und 1980er Jahren) waren mit den Lebensbedingungen, die sie hier vorfanden, nicht unbedingt zufrieden. Die Älteren erinnern sich – anstelle der geplanten Bürgersteige – an den allgegenwärtigen Schlamm. Es gab keine Geschäfte und an die öffentlichen Verkehrsmittel waren kaum organisiert. Diese Jahre stellte Stanisław Bareja in der berühmten Fernsehserie „Alternative 4“ in hervorragender Weise dar. Das Gebäude in der ul. Grzegorzewska 3, nur wenige hundert Meter von der Metro-Station Imielin entfernt, ist der Originalschauplatz dieser Kultserie. Lassen Sie sich das nicht entgehen, denn an der Wand befindet sich ein Wandgemälde, das Szenen aus dem Film und seine Figuren darstellt. Um die Orte zu finden, an denen sich Stanisław Anioł, Józef Balcerek und Genosse Winnicki aufhielten, sollten Sie sich die Serie vielleicht vormerken. Adaś Miauczyński, der Protagonist des Films Dzień Świra (Tag der Spinner), wohnte nicht weit von hier, in der ul. Kulczyńskiego 7.
Wenn Sie mehr über die Geschichte des Viertels erfahren möchten, besuchen Sie das Museum von Ursynów, das in einem Mietshaus aus der Vorkriegszeit in der ul. Barwna 8 beheimatet ist. In den 1970er Jahren befand sich dort das erste Lebensmittelgeschäft von Ursynów, und es heißt, dass man hier auch Alkohol kaufen konnte, was nicht unbedingt legal war. In diesem Museum finden Sie eine Ausstellung alter Landkarten der Region Ursynów, das Arbeitszimmer von Julian Ursyn Niemcewicz, dem Patron des Viertels – und ein Zimmer aus den 1970er und 1980er Jahren mit einer Schrankwand, einem Fernseher, einem Radio und einem „Unitra“-Radioadapter sowie… einer gut ausgestatteten Bar. An Szenen aus der Serie „Alternatywy 4“ fehlt es gleichfalls nicht.
Es gibt noch einen weiteren Punkt in der Landschaft von Ursynów, der kaum zu übersehen ist. Es sind die berühmten Hügel, die mit Erde vom Aushub der Wohnblocks aufgeworfen worden sind. Der bekannteste ist der Kopa Cwila in Nord-Ursynów. Hier drehte die bekannte Rock-Band Oddział Zamknięty in den 1980er Jahren ihr Musikvideo. Um nachzusehen, was hier so alles anders geworden ist, klettern Sie am besten einmal hinauf.
Der Kabacki-Wald
Starten Sie Ihre Tour durch den grünen Teil des Viertels mit dem Wald von Kabaty, einem Naturschutzgebiet ganz im Süden. Steigen Sie an der Metro-Station Kabaty aus und fahren Sie – am besten mit dem Fahrrad – in Richtung des von weitem sichtbaren Waldes. Seit Jahrhunderten gehört dieses Areal zu den Gütern von Wilanów, die sich in Besitz verschiedener Adelsfamilien befanden. Die letzten Eigentümer, die Familie Branicki, verkauften sie 1938 an die Hauptstadt, um ihre Schulden zu tilgen. Seitdem hat sich der Wald in einen Erholungsort für die Einwohner verwandelt, der besonders nach der Eröffnung der ersten Metro-Linie und dem Bau der nahe gelegenen Wohnsiedlung Kabaty sehr beliebt ist. Das Reservat wird zahlreich besucht. Deshalb sollten Sie versuchen, die Natur nicht zu schädigen. Bewegen Sie sich nur auf den ausgewiesenen Pfaden und halten Sie sich an die Verhaltensregeln. Achten Sie beim Wandern im Wald auch auf seinen natürlichen Charakter, den vor allem alte Laubbäume ausmachen.
Am Rande des Waldes erwarten Sie zwei Attraktionen. Die erste ist der Kulturpark in Powsin, der auf dem Gelände eines Golfclubs aus der Vorkriegszeit angelegt wurde. Weiter das Holzgebäude, in dem heute das Parkbüro untergebracht ist – eine Reminiszenz an die Vorkriegszeit. Powsin ist ein Ausflugsziel für die Einwohner von Ursynów. Hier finden Picknicks statt, es wird Schach gespielt, im Sommer steht ein Schwimmbad zur Verfügung, und es werden Veranstaltungen, Konzerte und Aufführungen angeboten. Während Ihres Aufenthalts in Powsin sollten Sie auch den nahe gelegenen, weitläufigen Botanischen Garten der Polnischen Akademie der Wissenschaften in der ul. Prawdziwka 2 besuchen.
Die Böschung entlang…
Wie Sie schon bemerkt haben, befindet sich der Kulturpark in Powsin auf dem höchsten Punkt eines Weichselhangs. Fahren Sie den Weg nach Norden entlang und entdecken Sie wahre Schätze der Natur und Geschichte. Fahren Sie den Trakt Leśny (Waldpfad) entlang, der dann in die ul. Relaksowa und Rosoła übergeht. Nach einiger Zeit biegen Sie in die Aleja Kasztanowa ein, eine malerische Straße, die hier 1815 angelegt wurde. Außer den alten, Jahrhunderte zählenden Bäumen finden Sie hier ein Kreuz, das im Jahr nach dem Ende des Januaraufstands errichtet wurde. Es erinnert an die Rettung von Felicja und Antoni Karniewski, seinerzeit Verwalter der Güter von Graf Potocki, dem damaligen Besitzer von Kabaty – vor der Deportation nach Sibirien. An der Allee befinden sich eine Mulde – Überbleibsel einer Ziegelei, die hier im 19. Jahrhundert ansässig war – und der Park Przy Bażantarni mit einem bekannten Kinderspielplatz. Kehren Sie dann zur ul. Rosoła zurück und biegen Sie leicht rechts in die ul. Nowoursynowska ein. Hier finden Sie den Eingang zu einem wahren Schatz der Natur und Geschichte. Es ist der Natoliński-Park, der innerhalb der Grenzen von Wilanów liegt und deshalb im Reiseführer für diesen Stadtteil ausgewiesen ist.
Nicht weit vom Tor entfernt, direkt an der gepflasterten Straße, wächst seit mehr als 600 Jahren eine Eiche namens Mieszko I. mit einem Umfang von fast 9 Metern. Dieses Naturdenkmal ist der älteste Baum in Warschau. In den 1970er Jahren wurden Rettungsmaßnahmen durchgeführt: das Innere wurde mit Beton ausgefüllt und die Äste mit Seilen zusammengebunden. Jedes Jahr im Frühling färbt sich einer seiner großen Äste grün.
Wenn Sie die Eiche wieder verlassen, gehen Sie weiter über die gepflasterte ul. Nowoursynowska. Nach dem Überqueren der Umgehungsstraße kommen Sie irgendwann in das ehemalige Dorf Wolica. Heute stehen dort noch einige Holzhäuser ehemaliger Bauernhöfe. Sie finden sie in der ul. Kokosowa.
Zum nächsten Ort, der Warschauer Naturwissenschaftliche Universität (Szkoła Główna Gospodarstwa Głównego), können Sie auf zwei Arten gelangen. Entweder über den Weg am Fuße des bewaldeten Steilhangs (bereits im Stadtteil Wilanów) oder über die ul. Nowoursynowska, die ul. Nugat und noch einmal die ul. Nowoursynowska. Das Gelände der Hochschule ist in zwei Teile gegliedert. Links der ul. Nowoursynowska befinden sich die neuen Campus-Gebäude, rechts die alten und historischen Gebäude. Halten Sie sich also rechts, um zum wunderschön gelegenen Krasińskich-Palast in Ursynów zu gelangen, wo sich heute das Rektorat der Naturwissenschaftlichen Universität befindet. Mit dem Bau des Palastes, der ursprünglich „Rozkosz“ hieß, wurde im Jahr 1775 begonnen. Es war Eigentum mehrerer Adelsfamilien, wurde 9 Jahre lang von Julian Ursyn Niemcewicz bewohnt und ging Ende des 19. Jh. in den Besitz der Familie Krasiński über. Auf der Terrasse an der Rückseite des Palastes sollten Sie unbedingt stehen bleiben. Die Aussicht auf den Steilhang ist beeindruckend.
Vor uns liegt nun die schwierigste Etappe unserer Expedition: Wir betreten die ehemalige Parkanlage Gucin-Gaj. Das vergessene und vernachlässigte Grundstück liegt zwischen der ul. Arbuzowa, ul. Przy Grobli und der ul. Fosa. Am besten gelangt man dorthin über die ul. Arbuzowa und dann die ul. Renety am Friedhof. Ihren Augen wird sich eine beeindruckende Tierwelt eröffnen – und das mitten in dieser Stadt. Teiche, in denen Sie Reiher und Eisvögel antreffen können, und ein dunkler Sumpf, aus dem abgestorbene Bäume ragen. Direkt neben der auf dem Steilhang stehenden Katharinenkirche befindet sich ein gemauerter Tunnel, der früher als Keller diente. Er wurde zum Naturdenkmal erklärt, weil dort Fledermäuse überwintern. Der Eingang ist allerdings versperrt.
Verlassen Sie den Park durch das Tor in der ul. Fosa. Wenn Sie nach rechts gehen, kommen Sie zu einer hölzernen Schmiede, in der ein privates Schmiedemuseum untergebracht ist. Dort können Sie etwas über die Geschichte der Schmiedekunst erfahren und einem Schmied bei der Arbeit mit glühendem Eisen zusehen. Wenn Sie rechts halten, gelangen Sie zur Katharinenkirche, bekannt auch als „Kirche auf dem Hügel“. Errichtet wurde sie 1238 an der ehemaligen Stelle für heidnische Kulte und ist die Kirche der ältesten existierenden Pfarrgemeinde am linken Weichselufer (gegründet immerhin 50 Jahre vor der Gründung von Alt-Warschau). Die Legende besagt, dass Tadeusz Kościuszko und Romuald Traugutt in der Kirche gebetet haben, dass Gotard, der Besitzer von Służew im Mittelalter, in den Gewölben begraben liegt und dass die Glocken als erste den Sieg in der Schlacht von Warschau verkündeten. Das Pfarrhaus stammt aus dem Jahr 1640, in seiner Halle ist ein masowischer Backsteinboden aus dem 17. Jh. erhalten. Der jetzige Glockenturm wurde 1881 an der Stelle des ursprünglichen errichtet und hat, wie die Kirche und das Pfarrhaus, den Zweiten Weltkrieg überstanden.
Pferderennen
Ein Wochenendausflug zur Pferderennbahn in Służewiec ist eine Attraktion, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Aber zunächst ein wenig Geschichte: Die erste Rennbahn Warschaus befand sich in der ul. Polna auf dem Pole Mokotowskie, außerhalb der damaligen Stadtgrenzen. Nach dem Ersten Weltkrieg, als Mokotów gebaut wurde, befand sich die Bahn im Zentrum Warschaus, was für die Tiere und die Einwohner etliche Unannehmlichkeiten mit sich brachte. Im Jahr 1925 wurde daher ein Grundstück für eine neue Rennbahn in Służewiec erworben. Der gesamte Komplex, der eine Haupttribüne in Form eines Schiffes, eine zweite Tribüne, eine Hauptbahn, eine Trainingsbahn, Ställe und Versorgungseinrichtungen umfasste, wurde 1939 eröffnet. Im Jahr 1989 wurde die Strecke in das Register der historischen Denkmäler aufgenommen.
Die Saison in Służewiec beginnt in der Regel Ende April und endet, je nach Wetterlage, im Spätherbst. Es bleibt also genügend Zeit, um hier ein unvergessliches Wochenende zu verbringen. Besonders das Sommer-Derby oder das Große Warschauer Derby im September sind einen Besuch auf der Rennbahn wert. Kaufen Sie eine Eintrittskarte, erfreuen Sie sich an der interessanten modernistischen Architektur, wetten Sie auf Ihre Favoriten und genießen Sie die Warschauer Atmosphäre dieses Ortes!